MUSIC

Role Of the Middle atmosphere in Climate (ROMIC): Modeling and Understanding Solar Irradiance Changes (MUSIC)


Änderungen der Sonneneinstrahlung sind der bedeutendste externe Einflussfaktor für das Klimasystem der Erde. Während die totale solare Bestrahlungsstärke (TSI, total solar irradiance, d.h. die über das gesamte Spektrum integrierte Bestrahlungsstärke) die Hauptenergiequelle der Atmosphäre ist, haben Variationen in der spektralen solaren Bestrahlungsstärke (SSI, spectral solar irradiance), insbesondere im ultravioletten Teil des Spektrums, einen deutlichen Einfluss auf die Chemie und Dynamik der Erdatmosphäre. Allerdings sind die Stärke des solaren Einflusses auf das Klima und die dafür maßgeblichen physikalischen Prozesse weiterhin zum Teil ungeklärt. Der Grund dafür sind:

  1. Unsicherheiten hinsichtlich des Ausmaßes  und der Details der solaren Variabilität
  2. Unsicherheiten hinsichtlich der Mechanismen, durch die die schwankende solare Strahlung das Klima beeinflusst.

MUSIC als Teil des ROMIC-Projekts nimmt sich dabei vor allem des ersten Punktes an. Das wesentliche Ergebnis wird die rekonstruierte Zeitreihe der solare Bestrahlungsstärke (TSI wie auch SSI) sein, die dann von Modellierern der Erdatmosphäre, insbesondere solchen, die an ROMIC beteiligt sind, als Eingangsparameter für ihre Modelle verwendet werden wird.

Aktueller Stand

Es ist allgemein anerkannt, dass der überwiegende Teil der Variationen von TSI und SSI auf Zeitskalen länger als ein Tag durch das Auftauchen, die Entwicklung und das Verschwinden des magnetischen Feldes an der Sonnenoberfläche, und zwar seiner Manifestationen in Form dunkler Sonnenflecken und heller Fackeln, verursacht wird. Die gemessenen TSI-Werte werden am besten durch Modelle reproduziert, die von dieser Annahme ausgehen. Wir haben das SATIRE-Modell (Spectral And Total Irradiance REconstructions) entwickelt, das das Strahlungsspektrum magnetischer Erscheinungen an unterschiedlichen Stellen auf der Sonnenscheibe berechnet, indem es die Strahlungstransportgleichung in semi-empirischen Modellatmosphären, die die Umbra und Penumbra von Sonnenflecken, Fackeln und die ruhige Sonne beschreiben, löst. Maßgeblich für dieses Projekt ist die Modellversion SATIRE-S (d. h. SATIRE für die Satellitenära). Sie verwendet Beobachtungen (räumlich aufgelöste Magnetogramme der gesamten Sonnenscheibe) zur Beschreibung der Entwicklung magnetischer Strukturen auf der Sonnenoberfläche.

SATIRE-S erfasst über 90% der beobachteten TSI-Variabilität [1], wie sie von dem PMOD-Komposite der TSI-Messungen von weltraumbasierten Radiometern seit 1978 wiedergegeben wird (Abb. 1).  SATIRE-S hat in der Vergangenheit auch erfolgreich SSI-Variationen auf kurzen (Tage bis Monate) und langen (Jahre bis Jahrzehnte) Zeitskalen reproduziert [2,3,4,5,6,7]. Die Situation hat sich allerdings geändert, seit Daten verfügbar sind, die von Instrumenten an Bord der Weltraumsonde SORCE (Solar Radiation and Climate Experiment) seit 2003/2004 gemessen werden. Die neuen Daten stimmen mit den Modellen auf kurzen Zeitskalen überein (siehe linkes Diagramm in Abb. 2) [5,6], zeigen aber ein auffallend unterschiedliches Verhalten auf längeren Zeitskalen (siehe rechtes Diagramm in Abb. 2) [6,7]. Dieses Problem betrifft nicht nur SATIRE, sondern alle Modelle, die TSI-Variationen reproduzieren können. (siehe Ermolli et al. 2013 [8] für eine Übersicht und Abb. 2). Zurzeit ist nicht klar, ob es ein Problem der Daten oder der Modelle ist.

Verbesserungsmöglichkeiten


Die wesentliche Schwäche der derzeitigen Version von SATIRE besteht in der Verwendung einiger weniger 1D semi-empirischer Modellatmosphären zur Beschreibung der großen Vielfalt von Erscheinungen auf der Sonnenoberfläche. Bisher dient ein freier Parameter dazu, die fehlende Verbindung zwischen der semi-empirischen Modellatmosphäre und der Quantität magnetischen Feldes, die sich aus den gemessenen Magnetogrammen ergibt, zu kompensieren. Es wäre natürlich befriedigender für das Modell, ohne einen freien Parameter zu arbeiten. Dieses ist aber nur möglich, wenn die semi-empirischen Modellatmosphären durch selbstkonsistente ersetzt werden. Da die Sonne eine sehr komplexe Oberflächenstruktur aufweist (erzeugt durch das Zusammenspiel von Konvektion, Schwingungen, magnetischen Feldern und Strahlung), müssen solche Modelle die dreidimensionale Strukturierung der Atmosphäre berücksichtigen, wie sie durch state-of-the-art 3D MHD-Simulationen mit Strahlungstransport wiedergegeben wird. Abb. 3 zeigt die Vielfalt solarer Strukturen, nachgebildet durch MHD-Simulationen [9,10], die mit MURaM, einem am MPS entwickelten MHD-Code mit Strahlungstransport, durchgeführt wurden [11].

Unser Ansatz besteht im Prinzip darin, die Selbstkonsistenz, physikalische Realitätsnähe und Zuverlässigkeit der Modelle für die solare Bestrahlung zu verbessern, indem sie in zwei Richtungen erweitert werden: In einem ersten Schritt wird die physikalische Realitätsnähe der Modelle signifikant erhöht, indem state-of-the-art 3D MHD-Simulationen mit Strahlungstransport, insbesondere MURaM, verwendet werden für die Sonnenatmosphäre, um das Spektrum solarer Gebiete mit unterschiedlichen Beträgen magnetischen Flusses zu berechnen. Die verfügbaren Simulationen verwenden Strahlungstransport bei lokalem thermodynamischem Gleichgewicht (LTE, local thermodynamic equilibrium) und erlauben, das Spektrum bis herunter zu 300 nm zu berechnen. Darüber hinaus werden die MHD-Simulationen weiterentwickelt. Die wichtigste Erweiterung ist die des Höhenbereichs, so dass die Modelle auch die solare Chromosphäre, in der die Kerne der stärkeren Spektrallinien im UV-Bereich (und auch von einigen im sichtbaren und infraroten Bereich)  gebildet werden, mit abdecken. Um das zu erreichen, müssen in der Simulation non-LTE Bedingungen beim Energietransport durch Strahlung mit einbezogen werden. Diese Erweiterung des Modells wird die kritischen UV-Flüsse unterhalb 300 nm, die sich aus den MHD-Simulationen ergeben, signifikant verbessern.

Abb. 1 - Im oberen Teil des Diagramms sind das PMOD-Komposite der TSI-Messungen  (tägliche Werte, hellrot; geglättet, dicke rote Kurve) und Ergebnisse von SATIRE-S (tägliche Werte, hellblau; geglättet, dicke blaue Kurve) zwischen 1978 und 2009, normalisiert zu SORCE/TIM im Dezember 2008, aufgetragen. Die dünne blaue Kurve markiert die Unsicherheitsspanne von SATIRE-S (nur geglättete Werte sind abgebildet). Im unteren Teil ist die Differenz zwischen PMOD und SATIRE-S dargestellt (täglich, grau; geglättet, schwarz), zusammen mit der Differenz der Unsicherheit bezogen auf PMOD. Die schwarzen und roten Fehlerbalken im oberen bzw. unteren Plot entsprechen den Fehlern aus [12]. Gepunktete vertikale Linien weisen auf die Lage der Maxima und Minima des Sonnenzyklus hin. Gestrichelte horizontale Linien deuten die Zyklusminima an und sind als Hilfe für den Betrachter gedacht. Lücken in den Kurven sind dort vorhanden, wo die Datenlücken mehr als 27 Tage betragen. Aus Ball et al. (2012) [1].


Abb. 2 - Normalisierte solare Bestrahlungsstärke im UV-Bereich zwischen 220 und 240 nm, berechnet mit den Modellen NRLSSI (schwarz, [13]), SATIRE-S (blau, [3]) und COSI (magenta, [14]), und gemessen mit UARS/SIM (dunkelgrün, [15]), UARS/SOLSTICE (hellgrün, [16]), SORCE/SOLSTICE (orange, [17]) und SORCE/SIM (rot, [18]). Die blassgrüne Schattierung markiert die Periode, in der die Sensitivität des UARS/SUSIM-Instruments (und somit der Fluss) sich geändert hat, so dass die Daten davor angepasst wurden [2,3]. Das linke Diagramm ist auf die Periode beschränkt, in der SORCE in Betrieb war, d. h. nach 2003, und zeigt die täglichen Werte, außer für das COSI-Modell, für das nur jährliche Mittelwerte verfügbar sind. Das rechte Diagramm zeigt die über drei Monate geglätteten Werte für die Periode 1993 - 2008, für die UARS- und/oder SORCE-Daten verfügbar sind. Aus Ermolli et al. (2013) [8].


Abb. 3 - Strukturen auf der Sonnenoberfläche, nachgebildet mit 3D MHD-Simulationen auf Basis des MURaM-Codes (Vögler et al. (2005)) [11]. Links: Bolometrische Intensität (oben) und magnetische Feldstärke auf einem vertikalen Schnitt durch das Zentrum des Sonnenflecks (unten). Aus Rempel (2012) [9]. Rechts: Abbildung der Helligkeit (bolometrische Intensität, oberes Bild) und vertikales magnetisches Feld auf der optischen Sonnenoberfläche (unteres Bild) aus einer Momentaufnahme einer MHD-Simulation in einer 15 Mm tiefen Box, die von einem horizontal gemittelten, vertikalen Magnetfeld mit einer Stärke von 100 G durchsetzt ist. Aus Schüssler (2012) [10].


Einzelnachweise

  1. Ball, W. T., Unruh, Y. C., Krivova, N. A., Solanki, S., Wenzler, T., Mortlock, D. J., Jaffe, A. H. 2012, Reconstruction of total solar irradiance 1974-2009. Astron. Astrophys. 541, A27 (2012).
  2. Krivova, N. A., Solanki, S. K., Floyd, L., Reconstruction of solar UV irradiance in cycle 23. Astro. Astrophys. 452(2), 631-639 (2006).
  3. Krivova, N. A., Solanki, S. K., Wenzler, T., Podlipnik, B., Reconstruction of solar UV irradiance since 1974. J. Geophys. Res. 114, D00I04 (2009).
  4. Krivova, N. A., Solanki, S. K., Unruh, Y. C., Towards a long-term record of solar total and spectral irradiance. J. Atmos. Sol.-Terr. Phys. 73(2-3), 223-234 (2011).
  5. Unruh, Y. C., Krivova, N. A., Solanki, S. K., Harder, J. W., Kopp, G., Spectral irradiance variations: comparison between observations and the SATIRE model on solar rotation time scales. Astron. Astrophys. 486(1), 311-323 (2008).
  6. Unruh, Yvonne C., Ball, Will T., Krivova, Natalie A., Solar Irradiance Models and Measurements: A Comparison in the 220-240 nm wavelength band. Surv. Geophys. 33(3-4), 475-481 (2012).
  7. Ball, W. T., Unruh, Y. C., Krivova, N. A., Solanki, S., Harder, J. W., Solar irradiance variability: a six-year comparison between SORCE observations and the SATIRE model. Astron. Astrophys. 530, A71 (2011).
  8. Ermolli, I., Matthes, K., Dudok de Wit, T., Krivova, N. A., Tourpali, K., Weber, M., Unruh, Y. C., Gray, L., Langematz, U., Pilewskie, P., Rozanov, E., Schmutz, W., Shapiro, A., Solanki, S. K., Woods, T. N., Recent variability of the solar spectral irradiance and its impact on climate modelling. Atmos. Chem. Phys. 13(8), 3945-3977 (2013).
  9. Rempel, M., Numerical Sunspot Models: Robustness of Photospheric Velocity and Magnetic Field Structure. Astrophys. J. 750(1), 62 (2012).
  10. Schüssler, M., Solar magneto-convection. Solar and Astrophysical Dynamos and Magnetic Activity, Proc. Int. Astron. Union 294, 95-106 (2013).
  11. Vögler, A., Shelyag, S., Schüssler, M., Cattaneo, F., Emonet, T., Linde, T., Simulations of magneto-convection in the solar photosphere. Equations, methods, and results of the MURaM code. Astron. Astrophys. 429, 335-351 (2005).
  12. Fröhlich, C., Evidence of a long-term trend in total solar irradiance. Astron. Astrophys. 501(3), L27-L30 (2009).
  13. Lean, J., Evolution of the Sun's Spectral Irradiance Since the Maunder Minimum. Geophys. Res. Lett. 27(16), 2425-2428 (2000).
  14. Shapiro, A. I., Fluri, D. M., Berdyugina, S. V., Bianda, M., Ramelli, R., NLTE modeling of Stokes vector center-to-limb variations in the CN violet system. Astron. Astrophys. 529, A139 (2011).
  15. Floyd, L. E., Cook, J. W., Herring, L. C., Crane, P. C., SUSIM'S 11-year observational record of the solar UV irradiance. Adv. Space Res. 31(9), 2111-2120 (2003).
  16. Rottman, G. J., Woods, T. N., Sparn, T. P., Solar-Stellar Irradiance Comparison Experiment 1. I - Instrument design and operation. J. Geophys. Res. 98(D6), 10,667-10,677 (1993).
  17. Snow, M., McClintock, W. E., Woods, T. N., White, O. R., Harder, J. W., Rottman, G., The Mg II Index from SORCE. Solar Phys. 230(1-2), 325-344 (2005).
  18. Harder, J. W.; Fontenla, J. M.; Pilewskie, P.; Richard, E. C.; Woods, T. N., Trends in solar spectral irradiance variability in the visible and infrared. Geophys. Res. Lett. 36(7), L07801 (2009).